Spinne des Jahres 2005
Proklamation durch die Arachnologische Gesellschaft e.V. (AraGes) am 09.01.2004 www.arages.de

Wer kennt nicht das verbreitete Zerrbild von Spinnen:

Sie sind schwarz, langbeinig, haarig - einfach gruselig und obendrein noch gefährlich giftig! Alles falsch, wie uns das Beispiel der Spinne des Jahres 2005 zeigt:

Die Zebraspringspinne.

Dieses putzige Tierchen ist gerade mal etwa einen halben Zentimeter (4 - 7 mm) gross. Es ist wie ein Zebra schwarz-weiss gebändert. Auf seinen acht Beinen bewegt es sich am liebsten an sonnigen, warmen Plätzen wie südexponierten Hausfassaden fort. Von blossem Auge kaum erkennbar, unter der Lupe oder auf der Makroaufnahme aber umso auffälliger sind die stark vergrösserten vorderen Mittelaugen.

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© Foto Barbara Knoflach

Zebraspringspinne (Salticus scenicus), Männchen mit deutlich verlängerten Kieferklauen

Während die übrigen sechs Augen fast nur schemenhaft Bewegungen wahrnehmen können, sind diese grossen vorderen Mittelaugen äusserst leistungsstark: Mit diesen Augen können die kleinen Spinnen nicht nur genau feststellen, was genau sich bis auf eine Distanz von etwa 20 cm vor ihnen aufhält, sie können auch die Distanz bis zu diesem Objekt genau abschätzen. Dazu können sie nicht wie wir Menschen die Augen bewegen und so aufgrund der Auslenkung der Augäpfel die Distanz berechnen, sondern sie verändern mit Muskelkraft die Brennweite der Augenlinsen: Aus dieser Veränderung bis zur Scharfstellung des Bildes kann die Spinne die Distanz "berechnen".

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Zebraspringspinne (Salticus scenicus), Portrait mit den riesigen vorderen Mittelaugen. Foto © Maja Schwarzenbach


Dies ist für die Springspinnen, zu denen auch die Zebraspringspinne gehört, lebenswichtig. Wie alle Spinnen sind auch die Springspinnen Räuber, die sich von anderen Kleintieren, vor allem Insekten aber auch anderen Spinnen ernähren. Während die meisten Spinnen für den Beutefang Netze in verschiedenster Form einsetzen, sind die Springspinnen Jäger, welche auf Beute lauern und diese dann auf Distanz anspringen und mit einem Giftbiss überwältigen - eine Jagdtaktik, die nur Sinn macht, wenn man zielgenau springen kann, also die Distanz abschätzen kann.
Die Zebraspringspinne, mit dem wissenschaftlichen, lateinischen Namen Salticus scenicus, gehört zu einer der grössten Spinnenfamilien, den Springspinnen: Von den rund 38'000 bekannten Spinnenarten weltweit gehören etwa 4'000 zu dieser Familie und rund 100 davon kommen in Mitteleuropa vor. Die für die Zebraspringspinne typische schwarz-weisse Färbung zeigen in Mitteleuropa vier Arten der Gattung Salticus mehr oder weniger deutlich. Das Farbmuster wird durch verschiedenfarbige Schuppenhaare gebildet. Diese Haare können zum Teil wegbrechen, sodass die Färbung bei älteren Tieren immer undeutlicher wird.
Die Zebraspringspinnen lassen sich an Frühsommertagen sehr leicht an sonnigen, warmen Stellen beobachten. Hat man eines der kleinen Tierchen entdeckt, so kann man mit ihnen spielen! Hält man einen kleinen Gegenstand oder den Finger zehn bis zwanzig Zentimeter vor das Tierchen hin und bewegt ihn seitwärts, so wird die Spinne ihren Vorderkörper immer danach ausrichten. Die Spinne kann ja die Augen nicht bewegen, muss also den Körper nach dem Objekt ausrichten, wenn sie genau erkennen will, was sich da vor ihr bewegt.




Wir können aber mit unseren Spielchen auch etwas "gemeiner" werden und dabei eine andere, äusserst interessante Sache entdecken. Wenn wir die Spinnen z.B. auf einem Tisch entdecken, so können wir sie gegen den Rand hin wegjagen. Sie wird immer weiter davon hüpfen (Springspinne!) bis sie irgendwann über den Tischrand hinausspringt. Was jetzt passiert, ist überraschend: die Spinne fällt nicht etwa zu Boden, sondern bleibt etwa 20 bis 30 cm unter der Tischkante in der Luft stehen, bleibt da einige Sekunden in der Luft und krabbelt dann wieder zum Tisch hoch. Jede Spinne spinnt immer eine Sicherheitsleine hinter sich her - gerade für Springspinnen, die auch mal ins Leere springen können, eine sehr wichtige Einrichtung.
Wenn wir viel Geduld und ein wenig Glück haben beim Beobachten, können wir auch das Paarungsverhalten oder die "Kämpfe" rivalisierender Männchen beobachten. Winkbewegungen mit den Tastern und komplizierte Tanzmuster (jede Art hat ihre eigenen Tänze) zeigen uns, dass wir es mit einem Balzverhalten zwischen Männchen und Weibchen zu tun haben. Gehen die beiden Partner aber aufeinander los und vollführen einen Ringkampf, indem sie sich mit den übergrossen Kieferklauen ineinander verhaken, so haben wir es mit zwei rivalisierenden Männchen zu tun, welche um die Vorherrschaft im Territorium kämpfen.
Die Zebraspringspinne wurde von der Arachnologischen Gesellschaft (www.arages.de) und der belgischen arachnologischen Gesellschaft (www.arabel.ugent.be) zur Spinne des Jahres 2005 gewählt. Mit dieser internationalen Aktion soll über die deutschsprachigen Grenzen hinweg eine Art stellvertretend für die über 1'300 zentraleuropäischen Spinnenarten der breiten Öffentlichkeit bekannter und beliebter gemacht werden.


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Das Autorenteam
Arachnologische Gesellschaft (Martin Kreuels, Peter Jäger und Ambros Hänggi).

Kontaktadresse:
Ambros Hänggi
Naturhistorisches Museum Basel
Abt. Biowissenschaften
Augustinergasse 2
4001 Basel
Tel. 061 266 55 11
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
http://www.nmb.bs.ch


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